3 Gründe, warum Übersetzungen korrigiert werden sollten

Veröffentlicht am 30. September 2021

Zuletzt aktualisiert am 26. Januar 2023

Warum sollten Übersetzungen korrigiert werden? Welche Hilfsmittel gibt es? Was gilt es zu beachten? Was sind typische Stolpersteine? In diesem Text teile ich mein Wissen zum Thema Übersetzungslektorat.

Ich erinnere mich noch gut an diesen Moment beim Berufsberater. Die ca. 14-jährige Nicole machte sich Gedanken über ihre berufliche Zukunft. Soll es eine Lehre sein? Aber welche? Von den Berufen konnte ich mir am ehesten den der Übersetzerin vorstellen. So wählte ich den gymnasialen Weg und war sehr glücklich damit. Anschliessend fand ich andere Studienfächer interessanter, übersetzte aber immer wieder für mein privates und berufliches Umfeld – learning by doing. Wie schicksalhaft, dass ich jetzt trotzdem mit Übersetzungen arbeite, indem ich sie lektoriere!

1. Vier Augen sehen mehr als zwei

Ein:e gute:r Übersetzer:in sollte verschiedene Kompetenzen mitbringen: die Ausgangs- und Zielsprache schriftlich gut bzw. sehr gut beherrschen, das nötige Fachwissen haben, die beiden Kulturen kennen, Informationen recherchieren und verarbeiten können, natürlich übersetzen können und am besten eine Übersetzungsausbildung absolviert haben. Oft wird auch das Muttersprachenprinzip als Qualitätsstandard gefordert, also dass man nur in die eigene Muttersprache übersetzt.

Allerdings ist es keine Garantie: Die Muttersprache, in der Fachsprache Erstsprache genannt, ist nicht unbedingt die stärkste Sprache eines Menschen. Wenn zum Beispiel jemand zuhause Deutsch spricht, aber in Frankreich lebt und die Schule absolviert, beherrscht diese Person das Französische unter Umständen besser als die Erstsprache Deutsch.

Zudem ist das Fachwissen geradeso wichtig. Für gewisse Gebiete und Zielsprachen fehlen muttersprachliche Übersetzerinnen, weshalb dann Nichtmuttersprachler zum Einsatz kommen.

Nicht zuletzt hängt die Entscheidung von den Ansprüchen und den finanziellen Mitteln ab – den eigenen oder denjenigen der Kundschaft. Jemand mit sehr guten Kompetenzen der Ausgangs- und Zielsprache, einem bescheidenen Budget, aber hohem Qualitätsbewusstsein, kann dank den untengenannten Hilfsmitteln selbst übersetzen und eine Fachperson mit dem Übersetzungslektorat beauftragen. So hat man gleichzeitig die Möglichkeit, etwas dazuzulernen.

Dies ist bei übersetzten Texten sowieso empfehlenswert, gerade aufgrund der hohen Ansprüche an übersetzende Personen und der komplexen Tätigkeit. Das Vier-Augen-Prinzip sorgt allgemein für bessere Texte, besonders jedoch bei übersetzten.

Es gibt natürlich Übersetzer:innen, die sowohl Inhalt als auch Form perfekt in die andere Sprache übertragen. Doch das schaffen längst nicht alle. Darüber hinaus verlangt der Inhalt schon so viel Aufmerksamkeit, dass die Form manchmal vernachlässigt wird.

2. Es gilt nicht nur den Inhalt zu übersetzen, sondern auch die Form

Besonders die Zeichensetzung hält viele Stolpersteine bereit: je nach Sprache unterschiedliche Anführungszeichen, Gedankenstriche, Fragezeichen, Kommaregeln und so weiter. Ein typisches Beispiel ist die Verwendung der Striche: – – —.

Es gibt den Viertelgeviertstrich (-), den die meisten als Bindestrich kennen. Er wird im Deutschen erstens als Silbentrennstrich verwendet, also wenn ein Wort am Zeilenende zwischen zwei Silben getrennt wird. Zweitens als Auslassungszeichen bei Ellipsen: «Getrennt- und Zusammenschreibung». Und drittens eben als Bindestrich wie in «Content-Marketing».

Der Halbgeviertstrich (–) hingegen ist etwas länger und am ehesten als Gedankenstrich bekannt. Er wird ausserdem als Streckenstrich («die Strecke Bern–Zürich») und als Bis-Strich eingesetzt («10–11 Uhr», aber: «von 10 bis 11 Uhr»).

So weit, so klar. Im Französischen aber ist der Bis-Strich ein kurzer Bindestrich: «10-11h». Im Englischen kommen zwei verschiedene Gedankenstriche zum Einsatz, und zwar neben dem halben auch der ganze Geviertstrich (—). Dieser wird dann aufgrund der Länge ohne Leerzeichen geschrieben: «There are a few things I can never remember—numbers, names, and something else.»

Als wäre das nicht genug, herrschen sogar innerhalb der Sprachen verschiedene Konventionen. Das Beispiel par excellence: die Anführungszeichen.

SprachgebietFachbegriffBeispiel
Deutschland und ÖsterreichChevronsAndrea fragte mich: »Hast du Grass’ ›Blechtrommel‹ gelesen?
Deutschland und Österreich  Deutsche AnführungszeichenAndrea fragte mich: „Hast du Grass’ ‚Blechtrommel‘ gelesen?“
DeutschschweizGuillemetsAndrea fragte mich: «Hast du Grass’ ‹Blechtrommel› gelesen?»
Französische SchweizGuillemetsAndrea m’a demandé : «As-tu lu ‹Le Tambour› de Grass?»
FrankreichGuillemetsAndrea m’a demandé : « As-tu lu “Le Tambour” de Grass ? »
Tabelle 1: die Verwendung der Anführungszeichen nach Sprachregion (Quelle: Wikipedia)

Das ist allerdings lediglich eine grobe Einteilung. Die Anführungszeichen unterscheiden sich nicht nur je nach Sprachvarietät, sondern auch abhängig vom Anwendungsgebiet: Buchdruck, Zeitungen, Schule, Bund, Universitäten, Internet usw. Ein:e Lektor:in kann die passende Form eruieren – anders als die meisten Übersetzungsprogramme!

3. Auch mit den besten Hilfsmitteln stösst man an Grenzen

Machen Übersetzungsprogramme die Übersetzer:innen arbeitslos? Jein. Es kommt auf die Textsorte und die gewünschte Qualität an. Deepl ist beispielsweise für E-Mails relativ gut.

Google Translate hingegen sollte nur eingesetzt werden, wenn es nicht anders geht. Etwa für weniger geläufige Sprachen. Dann kann es sogar praktisch sein, um zu kommunizieren; einen Satz eingeben, übersetzen und auf Abspielen klicken. Kleine Anekdote: Ich konnte so in Vietnam den Preis für einen Karaoke-Abend verhandeln …

Was Deepl für die Text- oder Satzebene leistet, kann Linguee für Mehrwortverbindungen. Damit erfährt man auch, welches Wort in welchem Kontext benutzt wird.

Auf der Wortebene helfen Wörterbücher à la Duden, Le Robert, dictionary.cambridge.org, merriam-webster.com, larousse.fr/dictionnaires, pons.eu, leo.org & Co. weiter. Auch Korpus-Wörterbücher (corpora.uni-leipzig.de, iate.europa.eu, dwds.de/r), Fachwörterbücher und einsprachige Wörterbücher gehören zur Ausstattung einer Übersetzerin oder eines Lektors. Der Geheimtipp für Fachbegriffe, die in Wörterbüchern fehlen: Wikipedia.

Den Feinschliff erzielen Korrekturprogramme wie die Word-Rechtschreibeprüfung, languagetool.org, der Duden Korrektor oder der Duden Mentor. Für andere Sprachen (Französisch und Englisch) sei beispielsweise Antidote erwähnt.

Doch trotz aller Hilfsmittel ist es schwierig, alle eingangs erwähnten Anforderungen an Übersetzer:innen zu erfüllen. Die Zeichensetzung ist nur ein Beispiel, die Wahl des angemessenen Stils hingegen ein anderes Thema – dem ein ganzer Blogartikel gewidmet werden könnte. Wird ein you als Sie oder Du übersetzt? Oder: Ein Du ist nicht immer ein tu, da im Französischen weniger schnell geduzt wird. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte die eigene Übersetzung deshalb immer Korrektur lesen lassen.

Wichtig zu wissen: Viele Fachleute verbessern Maschinenübersetzungen nicht zum Lektorats-, sondern zum Übersetzungstarif. Dies, weil ganze Textstellen neu übersetzt werden müssen. Oft lohnt es sich finanziell, in eine gute Übersetzung zu investieren, da das Übersetzungslektorat dann weniger kostet.

Wie sieht es bei dir aus?

Legst du Wert auf überzeugende Texte? Möchtest du Deutschschweizer:innen richtig ansprechen statt nur halb verstanden zu werden? Ich bin dir gerne dabei behilflich, damit du die Brücke schlagen kannst und der Funke springt!

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